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Abmahnung
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ArbG Frankfurt a.M. vom 22.01.2003 - 9 Ca 5820/02 Abmahnung
wegen Werbung für Betriebsratswahl In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 9 auf die mündliche Verhandlung vom 22.01.2003 für Recht erkannt: Die Beklagte
wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 12.04.2002: erteilte
Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen. Tatbestand |
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Der Kläger verlangt von der Beklagten Rücknahme und Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Der Kläger ist seit 01.10.1980 bei der Beklagten, derzeit als Auftragssachbearbeiter, beschäftigt. Er ist Mitglied und gleichzeitig Vertrauensmann der XX. Am 19.03.2002 fand am Standort Frankfurt am Main, an welchem ca. 2000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind, eine Betriebsratswahl statt. Der Kläger kandidierte für die Liste 1. Am 01.03.2002
versandte er an über 70 Kolleginnen und Kollegen seiner unmittelbaren
Arbeitsumgebung folgende elektronische Mail: Angefügt war eine Datei mit einem Vorabdruck der Gewerkschaftszeitschrift, die auch auf dem Firmengelände verteilt wurde. Am Tag vor der Wahl versandte der Kläger an den gleichen Verteiler eine elektronische Mail fast gleichen Inhalts, welcher ein Bild der Kandidaten als Anhang beigefügt war. Dieses Bild hatte der Betriebsrat im Vorfeld der Betriebsratswahl - wie auch die Bilder von Kandidaten der übrigen Listen - gescannt. Am 05.03.2002 erkundigte sich eine der angeschriebenen Personen, Herr A beim Arbeitsdirektor, ob das Vorgehen des Klägers rechtens sei (Bl. 16 d. A.). Der Kläger
wurde zum ersten Ersatzmitglied der Liste 1 gewählt. Am 10.04.2002
beanstandete er in einem betriebsinternen Intranet-Chat der Beklagten,
dass die Liste 1 von der Besetzung des Betriebsratsvorsitzes ausgeschlossen
worden war, obwohl sie unstreitig die meisten Stimmen erhalten hatte.
Die Betriebsratswahl ist von der Beklagten angefochten worden. Dieses Vorgehen geht über eine zulässige Wahlwerbung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus. Den einzelnen Listen und Wahlbewerbern wurde insofern auf Anschlagtafeln ausreichend Platz eingeräumt. Wir fordern Sie deshalb auf, unsere IT-Systeme künftig lediglich für dienstliche Zwecke zu nutzen und persönliche Wahlwerbung sowie ähnliches Verhalten zu unterlassen." (Voller Wortlaut Bl. 5 f. d. A.). Gegen diese
Abmahnung wendet sich der Kläger mit seiner Klage. Der Kläger vertritt den Standpunkt, dass die Werbung vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt sei. Er beruft sich auf die Meinungsäußerungsfreiheit und äußert den Standpunkt, dass auch diese Freiheit zeitlich ihren Preis fordere. Nach der Behauptung des Klägers hat die Anfertigung der Mails - wenn er sie überhaupt innerhalb der Arbeitszeit vorgenommen habe, was er nicht mehr rekonstruieren könne - allenfalls fünf Minuten gedauert, nachdem die Bilder bereits vom Betriebsrat gescannt worden seien, die Zeitschrift gleichfalls bereits vorbereitet gewesen sei und die kurzen Texte keines Entwurfs bedurft hätten. Der Kläger behauptet, durch seine Mails seien betriebliche Interessen nicht beeinträchtigt worden. Sie seien nur kurz und belasteten das Netz nur kurzfristig und geringfügig. Das Rundschreiben der Beklagten vom 10.09.2002 (Bl. 33 d. A.), welches erst nach den Streitgegenstand liehen Vorfällen erstellt sei, wende sich nicht an die Absender, sondern die Adressaten von Nachrichten. Auf die Behandlung von Mails durch den Empfänger habe aber ein Absender keinen Einfluss. Auch Interessen
anderer Personen - z. B. der Adressaten - sind nach Auffassung des Klägers
nicht beeinträchtigt. Aus dem Betreff der Mails gehe hervor, dass
Gegenstand die Betriebsratswahl sei. Niemand sei gezwungen, die Mails
- überhaupt oder wahrend der Arbeitszeit - zu lesen. Beschwerden
hätten ihn nicht erreicht, wohl aber positive Resonanzen. Nach Meinung des Klägers steht die Beklagte einer großzügigen Nutzung des Intranets positiv gegenüber, was sich auch daraus ergebe, dass - unstreitig -ca. 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür zuständig sind, ständig die Belegschaft mit elektronischen Nachrichten zu versorgen. Der Kläger beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Schreiben vom 12.04.2002 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung hat der Kläger durch Versenden der Mails seine Arbeitspflicht verletzt und nicht unerhebliche Zeit für ihre Versendung aufgewendet. Sachkosten der Wahlwerbung brauche sie aber nicht zu tragen. Indem der Kläger dazu aufgerufen habe, ihn selbst zu wählen, habe er einen privaten Zweck verfolgt; hierin unterschieden sich die beanstandeten Mails vom Appell des Arbeitsdirektors, der lediglich allgemein zur Teilnahme an der Wahl der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat aufgerufen habe. Die Beklagte behauptet, dass ihr eine Wahlwerbung von Kandidaten der Liste 2 während der Arbeitszeit nicht bekannt sei. Sie verweist den Kläger auf eine Wahlwerbung außerhalb der Arbeitszeit auf den von ihr eigens zur Verfügung gestellten Anschlagtafeln. Hierdurch würden zum Einen Adressaten nicht mit unerwünschter Werbung behelligt und in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt; zum Anderen werde, nicht die Arbeitszeit der Adressaten in Anspruch genommen. Vor allem aber werde so die Gefahr vermieden, dass das Netz überlastet werde, was bereits mehrfach eingetreten sei und wovor sie in ihrem Rundschreiben vom 10.09.2002 gewarnt habe. Die Beklagte hat im Kammertermin Bezug genommen auf ein im Intranet von ihr der Belegschaft zur Verfügung gestelltes Forum, in welchem diese private Belange verfolgen könne. Die vom Kläger zitierte Passage aus dem vom Geschäftsführer verfassten Buch sei an die Allgemeinheit gerichtet, nicht aber an die Beschäftigten. In ihrem Betrieb gebe es ein generelles Verbot privater Nutzung des Intranets. In einem Schriftsatz vom 21.01.2002, eingereicht im Termin zur mündlichen Verhandlung, benennt sie als Zeugen für eine subjektive und arbeitsorganisatorische Beeinträchtigung den Mitarbeiter Herrn Y.
l. Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht für den Antrag auf "Rücknahme" (= Widerruf) der Abmahnung ein Rechtsschutzinteresse. Dieses liegt darin, dass auch bei Entfernung des Schriftstücks der Abmahnung aus der Personalakte eine Rechtsbeeinträchtigung andauern kann, z. B. wenn auch nach der Entfernung der Abmahnung das Ansehen des Arbeitnehmers innerhalb des Betriebes beschädigt bleibt (BAG U. v. 15.04.1999 - 7 AZR 716/97 DB 1999, 1810). II. Die Klage
ist auch begründet. Es braucht auch nicht entschieden zu werden, ob Wahlbewerber auch während der Arbeitszeit Werbung machen dürfen (so Däubler AiB 2002, 82). Vorliegend war nämlich der Kläger bereits auf Grund der im Betrieb geübten Praxis berechtigt, das Intranet für seine beiden Mails zu nutzen. Vorliegend steht bereits nicht fest, dass der Kläger überhaupt - von den wenigen Handgriffen des Versendens abgesehen - Arbeitszeit aufgewendet hat. Dem Vorbringen des Klägers, er habe die vorbereitenden Arbeiten möglicherweise in der Pause verrichtet, ist die Beklagte nicht -und sei es nur in Form einfachen Bestreitens - entgegengetreten. Die Tätigkeiten, wenn der Kläger sie während der Arbeitszeit verrichtet hätte, hätten auch kaum Zeit in Anspruch genommen. Der Kläger hat dargestellt, welche Arbeiten er überhaupt nur verrichtet hat. Auch dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Eingaben
ins Intranet von einer zeitlichen Dauer von insgesamt maximal fünf
Minuten hat die Beklagte zumindest bei einem anderen Anlass - der Wahl
zum Aufsichtsrat toleriert. Der Kläger durfte deshalb annehmen,
die Beklagte werde auch in seinem Fall die Nutzung nicht beanstanden
dies insbesondere nach der Anfrage vom 05.03.2002, die die Beklagte noch
nicht einmal zum Anlass genommen hat, dem Kläger weitere Nutzungen
zu untersagen. Der Vorwurf, der Kläger halte seine Kolleginnen und Kollegen durch das Lesen seiner Mails von der Arbeit ab, ist unberechtigt. Es steht jeder Empfängerin / jedem Empfänger frei, ob überhaupt und ggf. sie / er die Wahlwerbung zur Kenntnis nehmen will. Auch von den Kandidaten verteilte Broschüren oder auf Anschlagtafeln zulässigerweise angebrachte Wahlwerbung kann während der Arbeitszeit gelesen werden, ohne dass die Beklagte deswegen das Verteilen von Broschüren oder das Anbringen von Werbung auf Anschlagtafeln untersagen wollte. Auch das
berechtigte Anliegen der Arbeitgeberin, das Intranet vor Überlastungen
zu schützen, steht eine Versendung der Mails nicht entgegen. Diese
waren nicht zahlreich und beide nur sehr kurz, also nicht geeignet, die
Kapazität des Intranets zu sprengen. Zudem hat die Beklagte selbst
vorgetragen, ein Forum für privaten Austausch ihrer Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer anzubieten. Hätte der Kläger diesen - von der
Beklagten prinzipiell gebilligten - Weg gewählt, wäre die gleiche
Belastung des Netzes eingetreten. Die Beklagte hat, da sie im Rechtsstreit unterlegen ist, dessen Kosten zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Den Wert
des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im
Urteil festzusetzen ist, hat die Kammer in Höhe eines geschätzten
Monatseinkommens des Klägers bewertet, § 3 ZPO.
Zum
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