Betriebstillegung

1. Begriff

Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen

(BAG[S1] , Urteil vom 27. 02. 1997 - 2 AZR 160/96).

 

2. Voraussetzungen der Betriebsstillegung

Eine Betriebsstillegung setzt also nach dem oben gesagten voraus, dass die Betriebsorganisation und damit die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehende Betriebs- und Produktionsgemeinschaft aufgelöst wird. Dies äußert sich darin, dass der Betriebsinhaber die wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer

nach unbestimmte, wirtschaftlich erhebliche Zeitspanne nicht mehr weiterzuverfolgen

(BAG Urteil vom 22. Mai 1985 - 5 AZR 173/84 - BAGE 48, 376, 388 = AP Nr. 43 zu § 613a BGB, zu B III 2a der Gründe; BAG Urteil vom 3. Juli 1986 - 2 AZR 68/85 - AP Nr. 53 zu § 613a BGB, zu B III 1 der Gründe; BAG Urteil vom 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - AP Nr. 67 zu § 613a BGB, zu II 1a der Gründe]).

An dieser Absicht fehlt es, solange der bisherige Betriebsinhaber mit einem potentiellen Betriebserwerber in Verhandlungen wegen einer Übernahme steht. Dem Arbeitnehmer kommt eine tatsächliche Vermutung zur Hilfe. Bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebes oder bei alsbaldiger Wiederaufnahme der Produktion durch einen Erwerber spricht eine tatsächliche Vermutung gegen die ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen. Es ist Sache desjenigen, der als neuer Arbeitgeber in Anspruch genommen wird, diese Vermutung zu widerlegen. Er muss Tatsachen darlegen, die für eine Stillegung sprechen

(BAG Urteile vom 22. Mai 1985 und 12. Februar 1987).

Der Betrieb kann auch von einem Pächter stillgelegt werden. Allerdings ist der Pächter nicht legitimiert, das Betriebsgrundstück und die Betriebsmittel zu veräußern, also den Betrieb so zu zerschlagen, wie es der Eigentümer könnte. Für die Annahme einer Stillegung wird als ausreichend angesehen, wenn der Pächter seine Stillegungsabsicht unmissverständlich äußert, die Betriebstätigkeit vollständig einstellt, allen Arbeitnehmern kündigt, den Pachtvertrag zum nächstmöglichen Termin kündigt und die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert

(BAG Urteil vom 26. Februar 1987 - 2 AZR 768/85 - AP Nr. 59 zu § 613a BGB, zu B II 4baa der Gründe; BAG Urteil vom 21. Januar 1988 - 2 AZR 480/87 - AP Nr. 72 zu § 613a BGB, zu CIII1 der Gründe).

 

 

 

 

 

3. Betriebsstillegung als Begründung der Kündigung

Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen.

Er ist jedoch nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stillegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stillegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Dies ist dann der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben

(st. Rspr., vgl. BAG Urteil vom 28. April 1988 - 2 AZR 623/87 - AP Nr. 74 zu § 613a BGB und Urteil vom 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; zuletzt BAG Urteil vom 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 -, AP Nr. 81 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG[S2] , Urteil vom 27. 02. 1997 - 2 AZR 160/96).

Beruht eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers, bei Ablauf der

Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer (z.B. wegen Betriebsstillegung) nicht mehr

weiterbeschäftigen, und erweist sich die Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist

als falsch (z.B. weil es doch zu einem Betriebsübergang kommt), so hat der Arbeitnehmer einen

Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die

Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist

(so auch die ganz überwiegende Ansicht in der Literatur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte: KR-Etzel, 4. Aufl., § 1 KSchG Rn. 518; Löwisch, Kündigungsschutzgesetz, 7. Aufl., § 1 Rn. 74; Kittner/Trittin, KSchR, 2. Aufl., § 1 KSchG Rn. 298; Zwanziger, BB 1997, 42; LAG Köln Urteil vom 10. Januar 1989 - 4/2 Sa 860/88 - LAGE Nr. 1 zu § 611 BGB Einstellungsanspruch, mit Anm. von Preis; LAG Hamburg Urteil vom 26.April 1990 - 2 Sa 90/89 - LAGE Nr.2; a.A. Boemke, AR-Blattei, Arbeitsvertrag-Arbeitsverhältnis X Rz165ff.).

Ein solcher Wiedereinstellungsanspruch stellt ein notwendiges Korrektiv dafür dar, daß die

Rechtsprechung allein aus Gründen der Rechtssicherheit, Verläßlichkeit und Klarheit bei der

Prüfung des Kündigungsgrundes auf den Zeitpunkt des Kündigungsanspruchs abstellt und schon

eine Kündigung aufgrund einer Prognoseentscheidung (z.B. »wegen beabsichtigter

Betriebsstillegung«) zuläßt, obwohl der Verlust des Arbeitsplatzes, vor dem die Arbeitnehmer

durch § 1 KSchG geschützt werden sollen, erst mit der Entlassung, also dem Ablauf der

Kündigungsfrist eintritt. Würde man den Arbeitgeber in derartigen Fällen nicht im Sinne einer

»Geschäftsgrundlage« daran festhalten, daß er »wegen beabsichtigter Betriebsstillegung«

gekündigt hat, so könnte er sich nach Wegfall des eigentlichen Kündigungsgrundes - ungebunden

durch die Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis - überlegen, ob z.B. die

Weiterbeschäftigung einer gekündigten Arbeitnehmerin für ihn vorteilhaft ist, oder ob ihn nicht der

ganze Vertrag reut und er es deshalb besser- etwa im Hinblick auf eine inzwischen eingetretene

Schwangerschaft - bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die inzwischen grundlos

gewordene Kündigung beläßt. Dies käme im Ergebnis der Einräumung eines »Reurechts« nahe,

das die Rechtsordnung nicht kennt

(so im Ansatz schon Gradenwitz, Anfechtung und Reurecht beim Irrthum, 1902, 1ff.).

 

Ein solches Ergebnis wäre im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes völlig systemfremd: Die Arbeitnehmer mit einem hohen sozialen Besitzstand wären am ehesten gefährdet, ohne rechtfertigenden Grund ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Ihnen müßte aufgrund ihrer langen Kündigungsfristen z.B. bei einer beabsichtigten Betriebsstillegung zuerst gekündigt werden, während bei den Arbeitnehmern mit entsprechend geringerem sozialen Besitzstand ggf. nach inzwischen erfolgter Betriebsübernahme eine Kündigung nach § 613a Abs. 4 BGB

ausgeschlossen wäre

BAG[S3] , Urteil vom 27. 02. 1997 - 2 AZR 160/96.

 

4. Betriebsstillegung als Beweggrund für einen Aufhebungsvertrag

Ist mit Rücksicht auf eine beabsichtigte Betriebsstillegung ein Vertrag, etwa ein

Aufhebungsvertrag, abgeschlossen worden, so ist dieser Vertrag nach den Regeln über den

Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen, wenn es doch noch zu einer Betriebsübernahme

kommt. Dies gilt selbst für einen im Hinblick auf die geplante Betriebsstillegung abgeschlossenen

Sozialplan

(BAG Urteil vom 28. August 1996 - 10 AZR 886/95 -).

Es würde den Schutzzweck des § 1 KSchG mißachten, wollte man allein im Hinblick darauf, daß die Vertragsbeendigung nicht durch einen Aufhebungsvertrag, sondern eine Kündigung, also eine einseitige Willenserklärung erfolgt, dem betroffenen Arbeitnehmer eine solche Anpassung an die veränderten Umstände versagen. Ob eine Auslegung des geltenden Rechts, ein derartiges Arbeitgeberverhalten sanktionslos zuzulassen, nicht auch verfassungsrechtlich bedenklich und mit dem Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes unvereinbar wäre

(vgl. BVerfG Beschluß vom 24. Januar 1994 - 1 BvR 14/93 - RzK I 8mee Nr.36),

ist zumindest fraglich. BAG[S4] , Urteil vom 27. 02. 1997 - 2 AZR 160/96.

 

 

Rechtsprechung

BAG, Urteil vom 12. Februar 1987 - 2 AZR 247-86,

BAG, Urteil 27.4.1995 AP Nr. 128 zu § 613a BGB,

BAG, Urteil vom 21.Januar 1988 - 2 AZR 480/87 - AP Nr. 72 zu § 613a BGB,

BAG[S5] , Urteil vom 27. 02. 1997 - 2 AZR 160/96.

(BAG 12.02.1987 - 2 AZR 247-86).

 

 


 [S1]Beruht eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers, bei Ablauf der

Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer (z.B. wegen Betriebsstillegung) nicht mehr

weiterbeschäftigen, und erweist sich die Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist

als falsch (z.B. weil es doch zu einem Betriebsübergang kommt), so hat der Arbeitnehmer einen

Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die

Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.

 [S2]Beruht eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers, bei Ablauf der

Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer (z.B. wegen Betriebsstillegung) nicht mehr

weiterbeschäftigen, und erweist sich die Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist

als falsch (z.B. weil es doch zu einem Betriebsübergang kommt), so hat der Arbeitnehmer einen

Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die

Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.

 [S3]Beruht eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers, bei Ablauf der

Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer (z.B. wegen Betriebsstillegung) nicht mehr

weiterbeschäftigen, und erweist sich die Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist

als falsch (z.B. weil es doch zu einem Betriebsübergang kommt), so hat der Arbeitnehmer einen

Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die

Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.

 [S4]Beruht eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers, bei Ablauf der

Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer (z.B. wegen Betriebsstillegung) nicht mehr

weiterbeschäftigen, und erweist sich die Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist

als falsch (z.B. weil es doch zu einem Betriebsübergang kommt), so hat der Arbeitnehmer einen

Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die

Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.

 [S5]Beruht eine betriebsbedingte Kündigung auf der Prognose des Arbeitgebers, bei Ablauf der

Kündigungsfrist könne er den Arbeitnehmer (z.B. wegen Betriebsstillegung) nicht mehr

weiterbeschäftigen, und erweist sich die Prognose noch während des Laufs der Kündigungsfrist

als falsch (z.B. weil es doch zu einem Betriebsübergang kommt), so hat der Arbeitnehmer einen

Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber mit Rücksicht auf die

Wirksamkeit der Kündigung noch keine Dispositionen getroffen hat und ihm die unveränderte

Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist.