II. Ungeschriebenen Betriebsänderung

 

Das BAG hat offen gelassen, ob der Katalog in § 111 S. 3 BetrVG abschließend ist oder nicht. Nach zutreffender Ansicht ist der Katalog nicht abschließend, sondern nur eine beispielhafte Aufzählung. Ist keiner der benannten Fälle einschlägig, kann gleichwohl die Generalklausel des § 111 S. 1 BetrVG zum Zuge kommen. Unbenannte Fälle müssen den im Gesetz benannten vergleichbar sein.

 

Voraussetzung einer ungeschriebenen Betriebsänderung

Voraussetzung einer ungeschriebenen Betriebsänderung ist stets,

dass die bisherigen Funktionsweisen des Betriebes in einschneidender Weise geändert werden. Die Änderung muss somit eine erhebliche Qualität aufweisen. Das heißt, 

                          dass die Änderung potentiell wesentliche Nachteile für die Belegschaft                nach sich ziehen kann. Wesentliche Nachteile können dabei in einer                        materiellen oder immateriellen Verschlechterung der                                          Arbeitsbedingungen (geringeres Entgelt, Verlust des Arbeitsplatzes,                      Verschlechterung des Arbeitsklimas) liegen.

                          dass eine Betriebserweiterung stattfindet, d.h. dass die                                          Leistungsfähigkeit des Betriebs dadurch erhöht wird, dass z.B. neu                             Aufträge herangezogen werden,

                          dass die Änderungen zumindest wesentliche Teile der Belegschaft                                  betreffen.

 

 

In Ausgliederungsfällen wird in aller Regel einer der ausdrücklich benannten Tatbestände des § 111 S. 3 BetrVG eingreifen.

 

2. Denkbare Fälle für ungeschriebenen Betriebsänderung

2.1 Fremdvergabe

Denkbar ist jedoch beispielhaft der Fall, dass eine Aufgabe (teilweise) fremd vergeben wird, die bisher damit betraute Abteilung aber nicht geschlossen wird, sondern die Gesamtzahl der Arbeitsstunden und damit das Arbeitsvolumen des betroffenen Betriebsteils reduziert wird. Hierin liegt eine unbenannte Betriebsänderung i.S.v. § 111 S. 1 BetrVG.

 

2.2 sog. „befristete Entsendelösung“

Gleiches gilt für den Fall, dass Ausgliederung im Sinne einer sog. befristeten Entsendelösung“ praktiziert wird. Diese hat die Gründung einer Tochtergesellschaft zum Inhalt, der die bisher schon mit der Aufgabe betrauten Arbeitnehmer befristet zur Verfügung gestellt werden, ohne dass sich an den äußeren Arbeitsbedingungen etwas ändert. Sollen die Arbeitnehmer nach Ablauf der befristeten Entsendung in anderen Betrieben weiterbeschäftigt werden, so liegt hierin ein verdeckter Austausch der Belegschaft und damit eine ungeschriebene Betriebsänderung. Eine solche Betriebsänderung ist mit der Ausgliederung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG.

 

2.3 Erweiterung eines Betriebs

Möglich ist auch, dass man die Erweiterung eines Betriebs unter dem Begriff der ungeschriebenen Betriebsänderung subsumiert. Das setzt aber zunächst voraus, dass die Arbeitsbelastung für die in dem Betrieb Tätigen deutlich wächst. Dies hat im Zuge von Ausgliederungs-Maßnahmen Bedeutung für den aufnehmenden Betrieb. Folgt man dieser Auffassung, so ist der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes zu beteiligen. Überwiegend wird diese Ansicht jedoch – zu Recht – als zu weitgehend abgelehnt.

 

 

Literaturempfehlung:
Matthes, NZA 2000, 1073;

Neef, NZA 1994, 97;

Moll, RdA 2003, 129;

Lingemann, NZA 2002, 934.

Rüthers/Bakker, ZfA 1990, 245 (332 ff.).