A B M A H N U N G

 

 

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INHALTSVERZEICHNIS

 

 

I           Begriff der Abmahnung                3

II         Abmahnung als Vorstufe zur Kündigung            3

III.         Sinn-, Zweck- und Funktion der Abmahnung                                                                 4

IV.        Voraussetzungen der Abmahnung als Vorstufe der Kündigung       5

V.         Erforderlichkeit einer Abmahnung            6

VI.        Entbehrlichkeit der Abmahnung              6

VII.       Ausspruch und Wirkungen der Abmahnung           8

VIII.     Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte         9

IX.        Kündigung nach Abmahnung (Zukunftsprognose)      10

X.         Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds                                                                          10

XI.        Informationsrechte des Betriebsrats                                                                               12

XII.      Fehlerhafte Abmahnungen                                                                                                    12       

           


I        Begriff

"Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei"

(BAG vom 18.01.1980, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

Die Abmahnung ist also die Beanstandung eines vom Arbeitgeber für vertragswidrig erachteten Verhaltens des Arbeitnehmers. Sie hat insoweit zunächst eine Rügefunktion. Die Rügefunktion ist ihrerseits mit dem Hinweis verbunden, dass im Wiederholungsfalle die Gefährdung des Arbeitsverhältnisses droht, sodass der Abmahnung auch eine Warn- und Ankündigungsfunktion zugeschrieben werden kann. Die Abmahnung dient insbesondere als Vorstufe einer  verhaltensbedingten Kündigung. Sie ist somit eine regelmäßige Wirksamkeitsvoraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung. Das gilt jedoch nur mit der Einschränkung, dass  der Arbeitnehmer den allgemeinen Kündigungsschutz des KSchG genießt.

Die Erforderlichkeit einer zuvor auszusprechenden  Abmahnung  folgt dem Ultima-Ratio-Prinzip.

In diesem Zusammenhang kommt der Abmahnung auch die Funktion zu, im Falle eines (erstmaligen) Fehlverhaltens eine sichere Prognosegrundlage für eine möglicherweise folgende Kündigung zu schaffen (Prognoseprinzip).

 

II      Abmahnung als Vorstufe zur Kündigung          

1. Allgemeines

 

1.1. Rechtlicher Charakter der Abmahnung

Bei der Abmahnung handelt es sich um eine tatsächliche individualrechtliche Erklärung des Arbeitgebers, durch die er dem Arbeitnehmer verdeutlicht, dass ein vertragswidriges Verhalten nicht weiter hingenommen wird. 

 

1.2. Definition des BAG:

"Eine Abmahnung liegt vor, wenn der Arbeitgeber in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise Leistungsmängel beanstandet und damit den Hinweis verbindet, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei."

(BAG v. 18.01.1980, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

 

1.3 In Angrenzung zur Abmahnung

Hiervon zu unterscheiden ist die bloße Vertragsrüge (auch Verwarnung oder Ermahnung), die zwar ebenfalls vertragswidriges Verhalten rügt, mangels deutlicher Warnung vor Folgen im Wiederholungsfalle aber keine Vorstufe zur Kündigung darstellt

(Vorsicht: Terminologie nicht einheitlich!).

Die Abmahnung kann sich auf alle vertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erstrecken.

 

 

1.4. Die Abmahnung und das Mitbestimmungsrecht

Die Abmahnung ist - wie die Vertragsrüge auch - als Gläubigerrecht nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht mitbestimmungspflichtig, auch wenn sie sich auf eine Vertragspflicht erstreckt, die die betriebliche Ordnung berührt.

Sie erst dann nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig, wenn die Erklärung des Arbeitgebers Maßregel- bzw. Strafcharakter annimmt, wenn also das beanstandete Verhalten innerbetrieblich geahndet werden soll, z.B. durch Zahlung einer Betriebsbuße. 

(BAG v. 30.1.1979, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße).

           

1.5. Abmahnungsberechtigte Personen

Als abmahnungsberechtigte Personen kommen nicht nur kündigungsberechtigte Vorgesetzte in Betracht. Auch Mitarbeiter, die Anweisungen bezüglich der Art und Weise der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung erteilen können (Direktionsrecht), dürfen Abmahnungen erteilen

(BAG v. 18.1.1980 AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

 

III. Sinn-, Zweck- und Funktion der Abmahnung

 

1. Dokumentationsfunktion

Die Abmahnung dient zunächst dazu, den beanstandeten Vorfall für den Arbeitgeber festzustellen (Dokumentationsfunktion). Eine weitergehende Beweisfunktion kommt der Abmahnung nicht zu, da sie nicht selbständig den Beweis für den Pflichtverstoß des Arbeitnehmers erbringt

(BAG v. 13.3.1987, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).

 

2. Rügefunktion

Der Arbeitnehmer soll mit der Abmahnung für den Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten gerügt und damit zu künftigem vertragsgemäßen Verhalten angehalten werden (Rügefunktion).

Auf diese Funktion ist die Vertragsrüge beschränkt. "Insoweit, als Vertragsrüge, dient die Abmahnung - auch ohne Androhung möglicher Konsequenzen - nicht vornehmlich der Vorbereitung einer Kündigung, sondern sie ist eine Sanktion auf ein vertragswidriges Verhalten."

(BAG v. 10.11.1988, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Abmahnung)

 

3. Warn- und Ankündigungsfunktion

Der Abmahnung kommt darüber hinaus Warn- und Ankündigungsfunktion zu: Wenn die Abmahnung der Vorbereitung einer Kündigung dienen soll, muss der Arbeitgeber die Beanstandung von Leistungsmängeln mit dem Hinweis verbinden, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei.

(BAG v. 18.01.1980, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

 

 

 

 

4. Abschreckungsfunktion

Schließlich dient die Abmahnung nach der Rechtsprechung des BAG dazu, anderen Arbeitnehmern zu verdeutlichen, daß der Arbeitgeber nicht bereit ist, ein bestimmtes vertragswidriges Verhalten hinzunehmen: "Abschreckungsfunktion"

(BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung).

 

IV. Voraussetzungen der Abmahnung als Vorstufe der Kündigung

 

1. Deutliche und ernsthafte Ermahnung

Die Abmahnung setzt zunächst inhaltlich voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer deutlich und ernsthaft ermahnt, ein bestimmtes Fehlverhalten zu ändern bzw. aufzugeben (Rügefunktion).

 

2. Bestimmtheit der Abmahnung

Wirksam ist die Abmahnung nur, wenn sie inhaltlich bestimmt ist. Dem Arbeitnehmer muss daher aufgegeben werden, ein genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern.

    

3. Hinweis der Gefährdung des Arbeitsverhältnisses

Des weiteren muss der Arbeitgeber die Rüge in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise mit dem Hinweis verbinden, dass im Wiederholungsfalle der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist: Warnfunktion

(BAG v. 18.01.1980, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung)

     

4. Erforderlichkeit der Bezeichnung „Abmahnung“?

Es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber den Begriff "Abmahnung" ausdrücklich verwendet. Es genügt, wenn aus dem Inhalt der Erklärung hinreichend eindeutig und unmissverständlich hervorgeht, dass bei wiederholten Leistungsmängeln der Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses in Gefahr ist

(BAG v. 18.01.1980, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

Allerdings sollte eine Abmahnung allein aus Zweckmäßigkeitserwägungen zur Klarstellung als solche bezeichnet werden.

 

5. Formbedürftigkeit?

Abmahnungen sind nicht formbedürftig. Sie können auch mündlich ausgesprochen werden. Dem Arbeitgeber steht es frei, ob er wegen eines Fehlverhaltens "eine mündliche oder schriftliche Abmahnung erteilen will"

(BAG v. 13.11.1991 EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 24).

Die Schriftform ist jedoch aus Beweisgründen zweckmäßig.

 

 

 

V. Erforderlichkeit einer Abmahnung

 

1. Eine - erfolglos gebliebene - Abmahnung ist vor Ausspruch einer Kündigung grundsätzlich erforderlich, wenn es sich um

-          eine verhaltensbedingte ordentlichen Kündigung,

-          eine verhaltensbedingte ordentlichen Änderungskündigung,

-          eine außerordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen oder um

-          eine außerordentliche Änderungskündigung aus verhaltensbedingten Gründen

handelt.

 

1.1 eine verhaltensbedingte ordentlichen Kündigung "Soll wegen fehlender Führungseigenschaften ordentlich gekündigt werden, so ist in der Regel zuvor eine Abmahnung erforderlich"

(BAG vom 29.07.1976, AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).

          

1.2 eine verhaltensbedingte ordentlichen Änderungskündigung

Auch vor einer Änderungskündigung, bei der es in erster Linie um den Inhaltsschutz geht, ist bei verhaltensbedingte Gründen eine Abmahnung erforderlich

(BAG v. 21.11.1985, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969).

Zudem hat das BAG eine Versetzungen nach § 12 Abs. 1 BAT von einer vorherigen Abmahnung abhängig gemacht

(BAG v. 30.10.1985, AP Nr. 1 zu § 12 BAT).

          

1.3 eine außerordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen "Der Senat hält daran fest, dass bei Störungen im Verhaltensbereich vor einer - außerordentlichen oder ordentlichen - Kündigung im Regelfall eine Abmahnung erforderlich ist."

(BAG v. 17.2.1994, AP Nr. 116 zu § 626 BGB).

          

1.4 eine außerordentliche Änderungskündigung aus verhaltensbedingten Gründen Schließlich ist auch bei einer außerordentlichen Änderungskündigung aus Gründen, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, als milderes Mittel eine Abmahnung erforderlich.

    

2. Rechtliche Grundlage der Abmahnung

Die Notwendigkeit einer Abmahnung ist gesetzlich nicht geregelt. Sie wird aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleitet (Ultima-Ratio-Prinzip).

 

VI. Entbehrlichkeit der Abmahnung

Die Abmahnung ist, als ungeeignetes Mittel dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung des Arbeitnehmers objektiv nicht möglich ist oder nicht erwartet werden kann. Auch bedarf es keiner Abmahnung, wenn diese wegen der Schwere der Vertragsverletzung zur Begründung einer Negativprognose für die weitere Vertragsbeziehung nicht erforderlich ist.

 

1. Nach der Rechtsprechung des BAG ist für die Frage der Entbehrlichkeit

einer Abmahnung die Unterscheidung zwischen Störungen im Verhaltens-

und Leistungsbereich und solchen im Vertrauens- oder Betriebsbereich

maßgeblich:

 

1.1 Grundsätzlich soll eine Abmahnung bei Störungen im Vertrauens- oder Betriebsbereich - vor Ausspruch einer Kündigung - entbehrlich sein. Ist eine Störungen dem Verhaltens- und Leistungsbereich zuzurechnen, ist eine Abmahnung demgegenüber erforderlich

(BAG v. 9.8.1984, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

 

Beispiel:

Bei kleineren Straftaten im Arbeitsverhältnis hält die Rechtsprechung zumeist, aber auch nicht stets eine Abmahnung für entbehrlich, weil der Vertrauensbereich betroffen sei

(BAG v. 17.5.1984 AP Nr. 14 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung).

 

1.2 In Ausnahme zu diesem Grundsatz soll auch im Vertrauensbereich eine Abmahnung erforderlich sein, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht allzu stark belastet ist und damit gerechnet werden kann, dass die Abmahnung zu einem vertragsgerechten Verhalten in der Zukunft führt

(BAG v. 10.11.1988, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Abmahnung).

 

Beispiel:

"Unklare Regelungen" im Vertrauensbereich, weshalb der Arbeitnehmer annehmen durfte, sein verhalten sei nicht vertragswidrig

(BAG v. 17.5.1984 NZA 1985, 91).

 

1.3 Die genannten Bereiche lassen sich nicht randscharf voneinander abgrenzen. Entscheidender Grundgedanke bei der Unterteilung ist, ob und inwieweit das beanstandungswürdige Fehlverhalten bereits eine klare Negativprognose für die weitere Vertragsbeziehung zulässt oder ob noch die Möglichkeit der Rückkehr zu einer vertragskonformen Beziehung besteht.

 

2. Entsprechend der Bedeutung der Abmahnung als Grundlage für die Negativprognose ist sie entbehrlich, wenn sie zur Begründung einer Negativprognose für die weitere Vertragsbeziehung nicht erforderlich ist oder wenn sie kein geeignetes Mittel darstellt. Die Abmahnung ist dann kein geeignetes Mittel, wenn der mit ihr beabsichtige Erfolg

(Änderung des Verhaltens und Warnung des Arbeitnehmers)

nicht erreicht werden kann, weil die Verhaltensänderung des Arbeitnehmers objektiv nicht möglich ist oder wenn die Verhaltenskorrektur nicht erwartet werden kann.

 

2.1 Ein Arbeitnehmerverhalten ist nicht abmahnungsfähig, das aus physischen, persönlichkeitsbezogenen, rechtlichen oder aus anderen Gründen nicht abänderbar ist

(Beispiele: wegen gesundheitlicher Beeinträchtigung nicht behebbare Leistungsmängel, künstlerische bzw. intellektuelle Fähigkeiten). In diesen Fällen ist eine Verhaltensänderung nicht möglich.

 

2.2 Entbehrlich ist die Abmahnung außerdem, wenn aufgrund objektiver Umstände die an sich mögliche Verhaltensänderung für die Zukunft nicht zu erwarten ist. In diesen Fällen läuft die Warnfunktion der Abmahnung leer.

 

Als Grundlage einer Negativprognose ist die Abmahnung nicht mehr erforderlich. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer erklärt, sein Fehlverhalten nicht ändern zu wollen oder wenn er die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens sicher kannte und mit der Billigung durch den Arbeitgeber nicht rechnen konnte. Kann der Arbeitnehmer bereits aus unmissverständlichen Rundschreiben oder Betriebsaushängen entnehmen, dass der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten nicht hinnimmt, kann die Abmahnung ebenfalls entbehrlich sein

(LAG Hamm v. 16.12.1982 BB 1983, 1601).

 

3. In Ausnahmefällen kann die Abmahnung als nicht mehr ausreichendes Mittel der Interessenbefriedigung des Arbeitgebers erkannt werden. So können schwere Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers in einer Vertrauensposition

(Spesenbetrug, Missbrauch von Vollmachten und Dispositionsmöglichkeiten)

zur Kündigung ohne Abmahnung führen, weil die Chance einer positiven Prognose für das Vertragsverhältnis fehlt.

 

„Eine außerordentliche Kündigung kann ausnahmsweise bei bereits einmaligem fahrlässigen Versagen ohne vorausgegangene Abmahnung zulässig sein, wenn das Versehen eines gehobenen Angestellten, der eine besondere Verantwortung übernommen hat, geeignet war, einen besonders schweren Schaden herbeizuführen und der Arbeitgeber das Seine getan hat, die Möglichkeiten für ein solches Verhalten und seine Folgen einzuschränken“

(BAG v. 4.7.1991 - 2 AZR 79/91 -).

4. Die Praxis zeigt, dass die Entbehrlichkeit der Abmahnung häufig mit der Möglichkeit einer fristlosen verhaltensbedingten Kündigung zusammenfällt. Es besteht zwar keine dementsprechende rechtliche Regel, aber die besondere Intensität der Vertragsverletzung führt oftmals sowohl zur Begründung der fristlosen Kündigung als auch zur Entbehrlichkeit der Abmahnung.

 

VII. Ausspruch und Wirkungen der Abmahnung

1. Die Wirksamkeit der Abmahnung setzt zunächst deren Zugang beim Arbeitnehmer voraus. Es gelten die allgemeinen Grundsätze über den Zugang von Willenserklärungen (§§ 130, 132 BGB). Zusätzlich bedarf es der Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von dem Inhalt der Abmahnung, damit Rüge- und Warnfunktion gewährleistet sind

(BAG v. 9.8.1984, AP Nr. 12 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).

 

2. Es gibt keine Regelausschlussfrist, innerhalb derer die Abmahnung ausgesprochen werden muss (BAG v. 15.1.1986, AP Nr. 96 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht).

 

3. Eine ausgesprochene Abmahnung kann allerdings durch Zeitablauf wirkungslos werden, wenn aufgrund der verstrichenen Zeit Unklarheit darüber herrscht, wie der Arbeitgeber auf eine Vertragspflichtverletzung reagiert. Erforderlich ist die Berücksichtigung aller Umständen des Einzelfalles

(BAG v. 18.11.1986, AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung).

 

4. Mit Ausspruch der Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber konkludent auf sein Kündigungsrecht wegen der Gründe, die Gegenstand der Abmahnung waren. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber nur eine Vertragsrüge ausspricht.

(BAG v. 10.11.1988, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Abmahnung).

 

VIII. Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte

1. Der Arbeitnehmer kann gegen eine unberechtigte Abmahnung, wenn sie geeignet ist, nach Form und Inhalt den Arbeitnehmer in seiner Rechtsstellung zu beeinträchtigen, mit einer Leistungsklage auf Widerruf und Entfernung aus den Personalakten klagen. Anspruchsgrundlage ist § 242 BGB i.V.m.

§ 1004 BGB analog, da eine unberechtigte Abmahnung einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht (Art. 1 und 2 GG) des Arbeitnehmers darstellt

(BAG v. 27.11.1985, AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; BAG v. 18. 2. 2003 – 1  AZR 142/02).

 

2. Wenn sich in einem gerichtlichen Verfahren über die Entfernung einer schriftlichen Abmahnung ergibt, dass die Abmahnung zu Unrecht erteilt worden ist, kann sie keine Wirkung mehr entfalten. Sie kann auch nicht als mündliche Abmahnung aufrechterhalten werden

(BAG v. 5.5.1992, EzA § 611 BGB Abmahnung Nr. 25).

 

3. Der Arbeitnehmer ist zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, gegen eine Abmahnung gerichtlich vorzugehen. Es besteht insoweit weder eine vertragliche Nebenpflicht noch eine entsprechende Obliegenheit des Arbeitnehmers
(BAG v. 13.3.1987, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).

 

4. Die Abwehransprüche des Arbeitnehmers sind begrenzt auf aktenkundige Abmahnungen. Für die Rechtmäßigkeit des Verbleibs in der Personalakte gelten besondere Grundsätze:

 

4.1 Grundsätzlich kommt es für die Frage, ob der Anspruch auf Entfernung begründet ist, darauf an, ob der erhobene Vorwurf objektiv gerechtfertigt ist. Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich

(BAG v. 18.1.1995, AP Nr. 17 zu § 611 BGB Abmahnung).

 

4.2 Eine Abmahnung kann aber - trotz objektiver Verletzung der Arbeitspflicht - ausnahmsweise unzulässig sein, wenn der Arbeitnehmer bei seiner Entscheidung gegen die Arbeitspflicht schwierige oder ungeklärte Rechtsfragen verkannt hat

(BAG v. 31.8.1994, AP Nr. 98 zu § 37 BetrVG 1972).

           

4.3 Schließlich darf der Arbeitgeber Abmahnungen nur aussprechen, wenn sie als Reaktion auf die Vertragspflichtverletzung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Das BAG versteht die Verhältnismäßigkeit in diesem Zusammenhang aber "nur" als Übermaßverbot zur Vermeidung von schwerwiegenden Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Rechtsverstößen

(BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung).

 

5. Richtigkeit der Abmahnung

Werden in einem Abmahnungsschreiben mehrere Pflichtverletzungen gleichzeitig gerügt, müssen alle Vorwürfe zutreffen. Sind nur einige (aber nicht alle) Vorwürfe gerechtfertigt, so muss das Abmahnungsschreiben auf Verlangen des Arbeitnehmers vollständig aus der Akte entfernt werden. Es ist dem Arbeitgeber überlassen, ob er statt dessen eine auf die zutreffenden Pflichtverletzungen beschränkte Abmahnung aussprechen will

(BAG v. 13.3.1991, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Abmahnung).

     

6. Entfernung der Abmahnung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung einer unrechtmäßigen Abmahnung aus der Personalakte, es sei denn, es bestehen objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer noch schaden kann. Für diese Umstände ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig

(BAG v. 14.9.1994, AP Nr. 13 zu § 611 BGB Abmahnung).

 

IX. Kündigung nach Abmahnung

1. Setzt der Arbeitnehmer nach Abmahnung ein - vergleichbares - vertragswidriges Verhalten fort, so ist regelmäßig die Prognose gerechtfertigt, dass er sich auch künftig nicht vertragstreu verhalten wird. Die vorherige Abmahnung verschafft insoweit eine sicherere Prognosegrundlage für eine möglicherweise nachfolgende Kündigung.

 

"Eine vertragswidrige Pflichtverletzung ist nach Abmahnung geeignet, einen verhaltensbedingten Kündigungsgrund abzugeben, wenn dem Arbeitnehmer die Leistungsstörung vorwerfbar ist"

(BAG v. 21.5.1992, AP Nr. 29 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).

 

2. Zwischen der Abmahnung und der Kündigung wegen Leistungsmängeln muss dem Arbeitnehmer ein hinreichender Zeitraum zur Leistungssteigerung eingeräumt werden

(LAG Hamm v. 15.3.1983 DB 1983, 1930).

 

3. Eine spätere Kündigung kann - auch unter Heranziehung der abgemahnten Gründe - nur durchgreifen, wenn weitere erhebliche Umstände eintreten oder bekannt werden.

 

4. Die Abmahnung entfaltet ihre Rüge- und Warnfunktion auch dann, wenn der Arbeitgeber die Abmahnung aus formalen Gründen aus der Personalakte beseitigen muss - etwa wegen Nichtanhörung des Arbeitnehmers nach § 13 Abs. 2 Satz 1 BAT

(BAG v. 21.5.1992 AP Nr. 28 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung).

    

5. Im Kündigungsschutzprozess ist selbständig zu prüfen, ob die in einer Abmahnung enthaltenen Vorwürfe berechtigt waren oder nicht

(BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung).

 

6. Ob das abgemahnte Fehlverhalten als Grundlage für eine Kündigung im Wiederholungsfall ausreicht, kann erst im Rechtsstreit über die Kündigung und nicht schon vorher abschließend beurteilt werden

(BAG v. 13.11.1991, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung).

  

7. Auch eine frühere Kündigung kann die Funktion einer Abmahnung erfüllen, wenn der Kündigungssachverhalt feststeht und die Kündigung aus anderen Gründen, z.B. wegen fehlender Abmahnung, für sozialwidrig erachtet worden ist

(BAG v. 31.8.1989, DB 1990, 790 = BB 1990, 559).

 

X. Abmahnung eines Betriebsratsmitglieds

Die Abmahnung wegen Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten ist im Gegensatz zu der Abmahnung wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten mitbestimmungspflichtig.

Soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine grobe Verletzung seiner Pflichten als Betriebsratsmitglied vorwirft, steht ihm nicht das Recht zu, deshalb eine Abmahnung oder einen  Verweis zu erteilen. Wollte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wegen einer solchen angeblichen Verwerfung nicht außerordentlich kündigen und auch nicht das gerade wegen derartiger Verstöße in
§ 23 Abs. 1 BetrVG eingeräumte Recht ausüben, den Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat wegen grober Pflichtverletzung zu beantragen, dann steht ihm z.B. mangels einer Bußordnung nur die Möglichkeit offen, über den Betriebsrat auf den Betriebsratsmitglied einzuwirken, die einem Betriebsratsmitglied obliegenden Pflichten zu beachten.

Die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Pflichten ist der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten nicht gleichzusetzen, und deren Abmahnung kann daher auch nicht mitbestimmungsfrei sein

(BAG, Urteil vom 5.12.1975 – 1 AZR 94/74; a.M. LAG Düsseldorf, DB 1975, 359).

 

 

 

 

XI. Informationsrechte des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat zwar bei der Abmahnung keine unmittelbare Mitbestimmungsrechte, jedoch ist der Arbeitgeber verpflichtet den Betriebsrat noch vor Ausspruch der Abmahnung zu informieren. Der Sinn und Zweck dieser Informationspflicht des Arbeitgebers besteht darin, den Betriebsrat in die Lage zu versetzen, in der er überprüfen kann, ob seine Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG tangiert sind

(LAG Niedersachsen, AuR 85, 99; ähnlich bei Kollektivabmahnungen auch ArbG Bremen, AiB 84, 95; Klebe § 80 Nr. 16).

 

XII. Fehlerhafte Abmahnungen

 

Eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Abmahnung muss hinsichtlich aller behaupteten Pflichtverletzungen zutreffend und nachweisbar sein

(Köln vom 15. Juli 2007 (AZ: 11 Sa 243/07).

Ein Arbeitnehmer wurde abgemahnt, weil er von einem Diensttelefon eine Vielzahl privater Anrufe getätigt haben sollte. Allerdings waren einige der Telefonate tatsächlich beruflicher Natur und außerdem konnte der Arbeitgeber nicht beweisen, dass die vermeintlich privaten Telefonate tatsächlich von dem abgemahnten Arbeitnehmer geführt wurden – auch andere Arbeitnehmer hatten Zugang zu dem Diensttelefon.