A: Abgrenzung
zwischen Arbeitnehmern und freie Mitarbeitern
1. Abgrenzung
Die Frage der Abgrenzung entscheidet
damit insbesondere darüber, ob auf das Vertragsverhältnis die spezifisch
arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften Anwendung finden, wie z.B. das BUrlG,
das KSchG oder das EFZG.
Als Maßstab einer Abgrenzung zwischen
Arbeitnehmern und Selbstständigen kann auf die Regelung in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB zurückgegriffen werden. Über ihren eigentlichen
Anwendungsbereich hinaus kann der Norm eine Wertung zur Bestimmung der
Selbstständigkeit und mittelbar des Arbeitnehmerbegriffs entnommen werden
(Vgl. nur BGH
27.1.2000 EzA Nr. 50 § 2 ArbGG 1979; BAG
30.9.1998 AP Nr. 103 zu § 611 BGB Abhängigkeit = NZA 1999, 374 f.).
Nach dieser Vorschrift ist selbstständig,
wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten sowie
seine Arbeitszeit bestimmen kann.
Daraus
folgt im Umkehrschluss, dass, wer im Hinblick auf
h die zeitliche und
h inhaltliche Gestaltung seiner Tätigkeit
fremden
Weisungen unterliegt, unselbstständig und damit abhängig ist, wobei die
nach der Rechtsprechung des BAG
Wirtschaftliche Abhängigkeit für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft weder
erforderlich noch ausreichend ist
(Vgl. nur BAG 27.6.2001 AP Nr. 6 zu § 611 BGB Arbeitnehmerähnlichkeit;
BAG 30.11.1994 AP Nr. 74 zu § 611 BGB Abhängigkeit = NZA 1995, 622).
Typisches Charakteristikum für die
Annahme der Arbeitnehmereigenschaft ist
Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation welches durch das Weisungsrecht
des Arbeitgebers vollzogen wird. Das Weisungsrecht kann sich auf Zeit, Art,
Durchführung und Ort der zu erbringenden Leistung beziehen. Diese strukturelle
Verflechtung des Arbeitnehmers mit dem Arbeitgeber bezeichnet das BAG
beschreibt als „persönliche Abhängigkeit“ des Arbeitnehmers.
(Vgl. nur BAG
26.7.1995 AP Nr. 79 zu § 611 BGB Abhängigkeit = NZA 1996, 477).
Dass es sich
bei dieser strukturellen Abhängigkeit nicht um ökonomische, sondern um rein
arbeitsorganisatorische Abhängigkeit handelt, wird ganz gut deutlich an einem
Beispiel aus dem sog. Bereich der „höheren Dienste“. So stößt zumindest das
inhaltlich-fachliche Weisungsrecht eines Krankenhausbetreibers der zudem selber
kein Mediziner ist als Arbeitgeber
naturgemäß schnell an seine Grenzen. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit ist
daher immer an dem Charakter der geschuldeten Tätigkeit zu messen
(Vgl. BAG 23.4.1980 AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
Soziale Schutzbedürftigkeit als
Hilfskriterium für die Abgrenzung:
Mitunter nimmt das BAG in Zweifelsfällen
auch auf das Hilfskriterium der
sozialen Schutzbedürftigkeit Bezug
(Vgl. BAG 23.4.1980 AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abhängigkeit).
Nebentätigkeit:
Nicht
entscheidend gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses spricht, dass es sich
um eine bloße Nebentätigkeit handelt
(BAG 11.3.1998 AP Nr. 23 zu § 611 BGB
Rundfunk = NZA 1998, 705).
Entgeltzahlung & Führung von
Personalakten & Abführung von Lohnsteuern:
Für die Arbeitnehmereigenschaft kommt es
auch nicht auf formelle Aspekte, wie etwa die Modalität der Entgeltzahlung, die Führung von Personalakten oder die Abführung von Lohnsteuern durch den Vertragspartner an, die
Aspekte spielen für die Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter
keine entscheidende Rolle
(Vgl. BAG
16.3.1994 AP Nr. 68 zu § 611 BGB
Abhängigkeit = NZA 1994, 1132).
Allerdings können solche Aspekte im
Einzelfall durchaus Indizwirkung entfalten.
Die
große Ausnahme(?):
Eine Einordnung nach objektiven
Kriterien soll nur dann nicht zum Zuge
kommen, wenn der Beschäftigte explizit und auf eigenen, freien Wunsch als freier Mitarbeiter tätig wird und
die Alternative einer Beschäftigung als
Arbeitnehmer gehabt hätte
(BAG 11.12.1996 AP Nr. 35 zu § 242 BGB Unzulässige Rechtsausübung
– Verwirkung).
Bei diesem Abgrenzungsmodell hat sich –
was ohnehin zu erwarten war –
die Vertragsfreiheit im Zivilrecht
durchgesetzt.
2.
Arbeitnehmerbegriff
Nach dem oben Gesagten, lässt sich hier
festhalten, dass Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags
im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter
Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist
(BAG vom 03. 07. 1975 - 1 ABR 98/74 -
BAGE 27, 163; BAG 10. 04. 1991 - 4 AZR 467/90 - AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr.
54 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 39; BAG 6. Juli 1995 - 5 AZB 9/93 -
BAGE 80, 256; BAG, Urteil vom 11.10.2000, 5 AZR 289/99.)
Der Arbeitnehmerbegriff ergibt sich
vornehmlich im Umkehrschluss aus den Vorschriften zu den selbständigen Dienstverpflichteten
und den arbeitnehmerähnlichen Personen. Aus diesen Vorschriften folgt, dass
weder der Umstand der wirtschaftlichen Abhängigkeit noch die Tätigkeit für nur
einen Auftraggeber den Arbeitnehmerstatus begründen kann
(vgl. BAG 15. Dezember 1999 - 5 AZR
169/99;BAG 15. Dezember 1999 - 5 AZR 3/99).
Kein Arbeitnehmer ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine
Arbeitszeit bestimmen kann. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB enthält insoweit
eine über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinausgehende gesetzliche
Wertung. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind in erster Linie die
tatsächlichen Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist
(Ständige Rechtsprechung: vgl. BAG 22.
April 1998 - 5 AZR 342/97 - BAGE 88, 263).
Die Eingliederung des Arbeitnehmers in
die betriebliche Organisation zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass der
Beschäftigte einem Weisungsrecht seines Vertragspartners hinsichtlich Inhalt,
Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit unterliegt.
Der Grad der persönlichen Abhängigkeit
hängt auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse
geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen. Letztlich kommt es auf eine Gesamtwürdigung
aller maßgebenden Umstände des Einzelfalles an.